Verständlich schreiben – Das Hamburger Verständlichkeitsmodell
Ein Text soll einfach zu verstehen sein. Aber wie macht man das? Wie kannst du verständlich schreiben? Das Hamburger Verständlichkeitsmodell hilft dir dabei, einen leserfreundlichen Text zu verfassen.
Inhalt:
Darum gehts
- Nach dem Hamburger Verständlichkeitsmodell zeichnet sich ein verständlicher Text durch 4 Eigenschaften aus.
- Die 4 Eigenschaften sind: Einfachheit, Gliederung, Prägnanz, anregende Zusätze.
- Der “perfekt” verständliche Text besitzt eine sehr hohe Einfachheit, sehr gute Gliederung. Mit anregenden Zusätzen sollte allerdings sparsam umgegangen werden.
Verständlicher Text oder kluger Leser?
Ein Text wird von einem Leser oder einer Leserin nicht verstanden. Wer trägt die Schuld? Ist der Verfasser schuld, weil er unverständlich oder monoton schreibt, lange Sätze macht, viele Fremdwörter benutzt und Gedankensprünge macht? Oder liegt es am Lesepublikum, weil es nicht fähig ist, einem etwas “anspruchsvolleren” Text zu folgen?
Das Hamburger Verständlichkeitsmodell geht davon aus, dass es die Aufgabe des Verfassers ist, so zu schreiben, dass der Text von seinem Zielpublikum ohne Probleme gelesen werden kann. Die Hauptschuld liegt also beim Autor des Textes.
Verständlich schreiben mit dem Hamburger Verständlichkeitsmodell
Durch mehrere empirische Untersuchungen konnten die Autoren des Hamburger Verständlichkeitsmodells nachweisen, dass wir verständlich schreiben, wenn wir die folgenden Merkmale berücksichtigen:
Einfachheit
Die Einfachheit bezieht sich auf die Wortwahl und die Satzstruktur in einem Text. Werden Wörter verwendet, die vom Zielpublikum problemlos verstanden werden? Zudem sollten der Text hauptsächlich aus Ausdrücken bestehen, die eine klare Bedeutung haben.
Ähnliches gilt für den Satzbau. Ein Satz sollte nicht aus zu vielen Nebensätzen bestehen. Wenn Nebensätze verwendet werden, so sollen diese vor oder nach einem Hauptsatz stehen. Mit eingeschobenen Nebensätzen sollte sparsam umgegangen werden.
Einfachheit steigern durch …
- einfache Formulierungen
- kurze Sätze
- verständliche und anschauliche Wörter
- wenige Fachausdrücken, die zu Verständnisproblemen beim Publikum führen könnten. Allenfalls muss man diese beim erstmaligen Verwenden erklären
Gliederung und Ordnung
Bezüglich Gliederung können wir uns einen typischen Zeitungsartikel als Vorbild nehmen. Nach dem Lesen von Titel und Lead wissen wir als Leser und Leserinnen bereits sehr klar, um was es in diesem Artikel gehen wird.
In vielen E-Mails oder wissenschaftlichen Arbeiten sieht es allerdings anders aus. Hier wird oftmals mit Hintergrundinformationen und Details begonnen, bevor dann gegen Ende erst klar wird, um was es jetzt genau geht. Verständlich schreiben bedeutet, dass bei einem Text bereits zu Beginn klar wird, um was es geht.
Innere Gliederung
Ein verständlicher Text hat einen logischen, klaren und nachvollziehbaren Aufbau. Kein Abschnitt oder Unterthema wirkt isoliert oder zusammenhangslos. Verfolgt der Text einen roten Faden? Um den roten Faden zu verdeutlichen, kann/soll der Verfasser explizit erwähnen, wie einzelne Sätze/Abschnitte miteinander in Verbindung stehen.
Äussere Gliederung
Ein verständlicher Text ist auch visuell verständlich gegliedert. Es wurde mit Abschnitten, Absätzen, Übertiteln, Nummerierungen gearbeitet. Bei längeren Texten macht es zudem Sinn, regelmässig kurze Zusammenfassungen zu machen.
Gliederung und Ordnung steigern durch …
- eine übersichtliche Darstellung
- Vorüberlegungen zum Publikum. Wer ist das Zielpublikum? Welches Wissen hast das Zielpublikum
- das Arbeiten mit Absätzen, Nummerierungen, Übertiteln
- das Aufzeigen der Beziehungen zwischen einzelnen Themen
- eine logische Reihenfolge
Kürze/Prägnanz
So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Es muss eine gute Mischung aus Kürze/Prägnanz und Weitschweifigkeit gefunden werden. Nur auf einen möglichst kurzen Text abzuzielen, ist die falsche Strategie. Denn je kürzer ein Text wird, desto wichtiger wird jedes einzelne Wort. Um einen sehr kurzen und sehr verständlichen Text zu verfassen, braucht es eine unglaublich präzise Wortwahl. Deshalb soll es nicht das Ziel sein, einen extrem kurzen Text zu schreiben. Kurz genügt. Etwas Redundanz schadet nicht.
Prägnanz steigern durch …
- einen klaren Fokus auf das Kernthema des Textes. Was ist für die Kernbotschaft des Textes wirklich wichtig? Alles andere bitte löschen
- das Löschen von Füllwörtern (ziemlich, irgendwie etc.)
- eine konkrete Schreibweise (z.B. “drei” statt “mehrere”)
- das Vermeiden von schwachen Modalverben (z.B. “können”, “sollen”)
Anregende Zusätze
Lesen kann sehr anstrengend sein. Insbesondere dann, wenn der Text nicht verständlich ist und er zudem noch langweilig und unpersönlich geschrieben ist. Ein verständlicher Text besteht deshalb auch immer aus Wörtern und Sätzen, die einen Sachverhalt lebendig, bildhaft, persönlich oder emotional machen. So soll die Lust am Lesen gesteigert werden.
Mit diesen anregenden Zusätzen verhält es sich wie mit dem Tabasco (scharfes Gewürz). Die richtige Dosis ist gefragt. Gut eingesetzt macht Tabasco ein Gericht deutlich besser. Falsch dosiert, wird es ungeniessbar.
Einen Text lebendiger machen durch …
- Beispiele
- Vergleiche
- Zitate
- bildhafte Sprache und Metaphern
- Einfügen von persönlichen Erlebnissen.
Der “perfekt” verständliche Text
Die Autoren des Hamburger Verständlichkeitsmodells kamen durch ihre empirischen Untersuchungen zum Schluss, dass der “perfekt verständliche Text” folgende Eigenschaften (siehe Tabelle) aufweist.
Ein Verfasser sollte sich also stark darum bemühen, die Einfachheit sowie eine übersichtliche Gliederung im Text zu gewährleisten. Mit den anregenden Zusätzen sollte indes sparsam umgegangen werden.
Fazit/Verständlichkeitsfehler
Wenn du verständlich schreiben willst, solltest du folgende Fehler unbedingt vermeiden:
- Du hast einen Text mit vielen abstrakten Informationen und machst KEINE Beispiele oder Vergleiche
- Du verwendest viele eingeschobene Nebensätze
- Viele Fachausdrücke
- Der Titel sowie die Untertitel lassen nicht erkennen, um was es im Text geht
- Eine ganze Seite Text ohne Absätze
Quellen
- Deutsch C, 2018. Einfaches Tool für bessere Texte: Das Hamburger Verständlichkeitsmodell. Deutsch-Werkstatt. Abgerufen am 01.06.2020, https://deutsch-werkstatt.de/hamburger-verstaendlichkeitsmodell/
- Langer I, Schulz von Thun F, Tausch R, 2015. Sich verständlich Ausdrücken (10. Aufl.). Ernst-Reinhard Verlag, München, 222 S.
- PCS Akademie, 2018. Verständlich formulieren – Das Hamburger Verständlichkeitskonzept. Abgerufen am 01.06.2020, https://www.pcs-campus.de/texten/verstaendlichkeitkonzept/
- Schulz von Thun F, 2011. Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Rowohlt, Hamburg, 270 S.